MDR Klassifizierungsregel 11 für Software

DI (FH) Dr. Michael Ring

MDR Klassifizierungsregel 11 für Software trifft besonders kleine Unternehmen und StartUps: Es ist unbestritten, dass einige Punkte des aktuellen Entwurfs der EU-Medizinprodukte-Verordnung bedeutende Fragen hinsichtlich der Umsetzbarkeit in der Praxis aufwerfen. Aus der Sicht von Herstellern von Stand-Alone Software und Medical Apps stellt allerdings die unten diskutierte Klassifizierungsregel 11 ein besonderes Sprengpotenzial dar. Besonders für kleine Unternehmen kann diese Regel in der gegenwärtigen Version durchaus existenzbedrohlich sein.

Darin ist eingangs erwähnt, dass Software, welche zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen wird, automatisch mindestens der Risikoklasse IIa zuzuordnen ist. Es wird zwar als letzte Bemerkung der Regel noch die theoretische Möglichkeit der Klassifizierung in die Risikoklasse I eingeräumt – wenn das Software-System eben nicht zur klinischen Entscheidungsfindung beiträgt. Da Medizinprodukte aber per se therapeutische oder diagnostische Zwecke erfüllen, ist es wohl eine besondere Herausforderung, die Einstufung in die niedrigste Risikoklasse argumentativ zu untermauern.

Warum mindestens Risikoklasse IIa? Ausschlaggebend für die Höherklassifizierung ist das Schadensausmaß, welches theoretisch durch diese klinischen Entscheidungen entstehen können. Ist das Schadensausmaß mit dem Tod oder mit einer irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands verbunden, werden die Software-Systeme der höchsten Risikoklasse III zugeordnet. Können theoretisch die Folgen der Entscheidung eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands verursachen oder einen chirurgischen Eingriff nötig machen, werden die Software-Systeme der Risikoklasse IIb zugeordnet.

Genau hier beginnt eine leidige Diskussion, welche bereits durch die erstmalige Veröffentlichung der IEC 62304 bekannt ist: der Einfluss der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadensereignisses auf die Einschätzung des Risikopotentials von Software-Systemen. Im Zuge der Aktualisierung dieser harmonisierten Norm wurde allerdings auf der normativen Ebene bereits nachgebessert. Dass nun erneut die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses keinen Einfluss auf die oben erwähnte Risikoklasse haben soll, ist unverständlich. Bei beinahe jeder klinischen Entscheidung besteht die theoretische Möglichkeit eines gravierenden Schadensereignisses.

Die Konsequenz dieser Regel in der aktuellen Version wäre ein Höherklassifizieren von jener Stand-Alone Software, welche bis jetzt der Risikoklasse I (RL 93/42 EWG) zugeordnet war. Dies würde bedeuten, dass die Zulassung in Zusammenarbeit mit benannten Stellen durchgeführt werden müssen oder im Extremfall (Risikoklasse III) die Pflicht besteht, klinische Studien durchzuführen.

Die Hoffnung, dass die Software – Klassifizierungsregel 10a im Entwurf in letzter Minute an die Praxis angepasst wird, hat sich also nicht erfüllt.

DI (FH) Dr. Michael Ring
Geschäftsführer bei RnB Medical Software Consulting GmbH
Berater und Trainer, Netzwerk-Partner von en.co.tec