Software als Medizinprodukt – Ein Gastbeitrag von Nilaykumar Patel, Chief Regulatory Officer bei Contextflow GmbH

SaMD Übersicht

Software ist eine der wichtigsten Komponenten der Gesundheitsbranche. Bevor wir mehr ins Detail gehen, müssen wir hauptsächlich zwischen zwei Arten von Software unterscheiden:

1. Software, die für medizinischen Zwecke1 genutzt wird, wie z.B.

  • Für die Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung (z.B. eine Software für die klinische Entscheidungsfindung, wie z.B. Erkennung von Anomalien in den Lungen-CT-Scans)
  • Software, die Parameter, die zur Eingabe für ein anderes medizinisches Hardware-Gerät, bereitstellt (z. B. eine Software zur Behandlungsplanung)

2. Software, die nicht für medizinischen Zwecke genutzt wird, wie z.B.

  • Alle administrativen Dienstleistungen (z.B. Krankenhaus Abrechnungsdienste)
  • Medizinische Bildspeicher Geräte, Medizinische Bild Kommunikationsgeräte. Softwarefunktionen, die ausschließlich zum Übertragen, Speichern, Konvertieren von Formaten und Anzeigen von Daten medizinischer Geräte oder medizinischer Bildgebungsdaten bestimmt sind, sind keine Software mit medizinischen Zwecke (Software für Speicherung von Patientendaten, wie z. B. Blutdruckmesswerten, zur späteren Überprüfung)
  • Software, die zur Herstellung oder Wartung eines Geräts verwendet wird (z.B. Testing, Source Code Management, Wartung usw.)

Abbildung 1: Arten von Software im Gesundheitswesen

Software, die für medizinische Zwecke verwendet wird, könnte weiter in zwei Kategorien unterteilt werden:

Kategorie 1: 

  • Software in einem medizinischen Gerät (oft als „eingebettet“ oder „Teil davon“ bezeichnet); Im Allgemeinen Software, die Teil von medizinischen Hardware-Geräten ist.
    • z.B: Software, die die Motoren und Pumpen aller Arten von Medikamenten in einer Infusionspumpe antreibt oder steuert; oder Software, die in einem geschlossenen Regelkreis in einem implantierbaren medizinischen Gerät verwendet wird wie z.B. in einem Herzschrittmacher

Kategorie 2:

  • Software als Medizinprodukt, auf Englisch: Software as a medical device (SaMD). Im Allgemeinen ist SaMD eine eigenständige Software, die ihren beabsichtigten Zweck selbständig erfüllt und nicht als Teil davon
    • z.B: Software, die es ermöglicht, die von einem CT-Scanner erhaltenen Bilder für diagnostische Zwecke zu betrachten, indem eine Bildnachbearbeitung durchgeführt wird, um bei der Erkennung von Krankheitsbildern mit Lungen-Anomalien wie Emphysemen, Lungenknötchen usw. zu helfen.

In diesem kurzen Artikel werden wir uns nur auf die SaMD konzentrieren.

Unterschiedliche Definitionen für SaMD

Zum Beispiel nach der Definition von IMDRF (International Medical Device Regulators Forum) Definition:2

“SaMD is software intended to be used for one or more medical purposes that perform these purposes without being part of a hardware medical device.”

Während die MDCG (Medical Device Coordination Group) SaMD wie folgt definiert:3

“Medical device software is software that is intended to be used, alone or in combination, for a purpose as specified in the definition of a “medical device” in the medical devices regulation or in vitro diagnostic medical devices regulation.”

Im Allgemeinen wird Software als SaMD bezeichnet, wenn sie Hilfsmittel zur Milderung einer Krankheit bereitstellt oder die Erkennung, Diagnose, Überwachung oder Behandlung physiologischer Zustände unterstützt oder bei der Bestimmung von Prädisposition, Prognose, Vorhersagen oder der Bestimmung des physiologischen Status hilft.

Darüber hinaus bietet der IMDRF einen wichtigen Mechanismus (siehe Tabelle unten) zur Kategorisierung einer SaMD auf der Grundlage ihres Verwendungszwecks und des Zustands der Gesundheitssituation oder des Gesundheitszustands.4

Tabelle 1: SaMD-Kategorien definiert nach IMDRF (I bis IV)

 

Im Folgenden sind einige Beispiele für SaMD aufgeführt, die in eine der Kategorien fallen könnten:5

  • Kategorie I:
    • SaMD, das historische Blutdruck-Informationen für eine spätere Überprüfung durch einen Gesundheitsversorger speichert
  • Kategorie II:
    • SaMD, die Daten von Einzelpersonen zur Vorhersage des Risikos für die Entwicklung eines Schlaganfalls oder einer Herzerkrankung verwendet, um Präventions- oder Interventionsstrategien zu entwickeln
  • Kategorie III:
    • SaMD, die Daten von Einzelpersonen zur Vorhersage des Risikoscores in Hochrisiko-Populationen für die Entwicklung präventiver Interventionsstrategien für Darmkrebs verwendet
  • Kategorie IV:
    • SaMD, die eine diagnostische Bildanalyse durchführt, um Therapieentscheidungen bei Patienten mit akutem Schlaganfall zu treffen, d.h. bei denen eine schnelle und genaue Unterscheidung zwischen ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall entscheidend ist, um sich für eine frühe Initialisierung einer hirnschonenden intravenösen Thrombolyse-Therapie oder einer interventionellen Revaskularisierung zu entscheiden

Regulatorische Herausforderungen

Die SaMD ist weltweit unterschiedlich geregelt. Z.B. Nach der MDR (EU) 2017/745 (EU-Verordnung für  Medizinprodukte) muss ein Hersteller von SaMD Regel 11 einhalten, der in Kapitel III von Anhang VIII definiert ist. Je nach Zweckbestimmung kann SaMD als Klasse I, II oder III klassifiziert werden. Gemäß dieser Klassifizierung müssen SaMD-Hersteller die gesetzlichen Anforderungen wie EN ISO 13485 (Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsystem), EN 62304 (Software für Medizinprodukte – Software-Lebenszyklusprozesse) und EN ISO 14971 (Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements) erfüllen, um nur einige zu nennen.

3 Innovation in SaMD

Die Innovation in der SaMD wird von KI-basierten SaMDs geleitet. So nutzt beispielsweise das preisgekrönte österreichische Unternehmen contextflow GmbH “deep learning” Lernprozesse, um das in Tausenden von medizinischen Bildern und Befunden kodierte Wissen den Radiologen zur Verfügung zu stellen, wodurch die Zeit für die Suche nach fallrelevanten Informationen während der Bildinterpretation verringert und gleichzeitig das Vertrauen und die Qualität der Befundung erhöht wird.6

Abbildung 2: contextflow’s KI-basierte SaMD “Radiology Explorer”

contextflow’s CE-gekennzeichnete KI-basierte SaMD “SEARCH” liefert sofort Referenzfälle und damit verbundenes Wissen sowie medizinische Literatur, die für die Differentialdiagnose notwendig ist, innerhalb von Sekunden, nachdem eine interessierende Region (ROI: Region Of Interest) in einem Lungen CT-Bild markiert ist. Darüber hinaus bietet die Software auch Heatmaps (Rot-, Gelb-, Blau-markierte Regionen im Bild), die die Verteilung der in jedem Scan erkannten Krankheitsmuster anzeigen. Derzeit werden 19 verschiedenen Muster (z.B Pneumothorax, Cyst, Honeycombing, Nodular Patterns, Ground Glass, usw.) in Lungen CTs von der Deep-Learning Software unterstützt.

Fazit

Die SaMD spielt eine sich entwickelnde Rolle bei der Förderung von Innovationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit.  Im Allgemeinen gelingt es den bestehenden Vorschriften, die Gesundheitsrisiken von Software zu behandeln, wenn diese in ein physikalisches medizinisches Gerät eingebettet ist. Die derzeitige Anwendung von Vorschriften und Kontrollen deckt jedoch möglicherweise nicht die mit einer SaMD verbundenen Gesundheitsrisiken ab. Daher ist eine Zusammenarbeit zwischen den KI-basierten SaMD-Entwicklern und der Regulierungsbehörde notwendig, um der öffentlichen Gesundheit besser zu dienen und kontinuierliche Innovationen auf dem Gebiet der KI-basierten SaMD voranzutreiben.

                                                                                                                                                                                                           

1 MDR (EU) 2017/745, Artikel 2 “Begriffsbestimmungen” beschreibt die Definition für ein Medizinprodukt

2 http://www.imdrf.org/docs/imdrf/final/technical/imdrf-tech-131209-samd-key-definitions-140901.pdf

3 https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/md_sector/docs/md_mdcg_2019_11_guidance_qualification_classification_software_en.pdf

4 http://www.imdrf.org/docs/imdrf/final/technical/imdrf-tech-140918-samd-framework-risk-categorization-141013.pdf

5 http://www.imdrf.org/docs/imdrf/final/technical/imdrf-tech-140918-samd-framework-risk-categorization-141013.pdf

6 https://contextflow.com/