Regulatory Expert für Medizinprodukte nach MDR – Interview mit Online-Lehrgang Absolvent Paul Kressnik, reha buddy

Paul Kressnik BSc. ist einer der ersten Absolventen des Online-Lehrgangs Regulatory Expert für Medizinprodukte nach MDR der en.co.tec Akademie.

Im nachfolgenden Interview von und mit reha buddy erzählt er von seinen Erfahrungen während der Ausbildung und vom Weg eines Start-Ups zur Medizinproduktezulassung.

Welche Rolle wird dir im Team von reha buddy zuteil?

Neben Gesellschafter bin ich als Prokurist auch die Vertretung für Harald Jagoš. Weiters bin ich Head of Quality & Regulatory Affairs und regle mit dem einhergehend auch sämtliche Compliance Angelegenheiten. Qualitätsmanagement fällt ebenfalls in meinen Aufgabenbereich. Also kurz gesagt: Alle Verträge die wir schließen gehen durch meine Hand, und außerdem achte ich darauf, das sich reha buddy stets innerhalb des rechtlichen Rahmens bewegt. Mein IT Background sorgt zudem dazu, dass ich bei technischen Fragen ebenfalls aushelfen, beispielsweise in der Datenaufbereitung unterstützen kann.

Die Rolle bei reha buddy als “Head of Quality and Regulatory Affairs” legt es ja nahe, dass genau du diese Ausbildung absolvierst – inwieweit deckt sie sich mit deinen persönlichen Stärken?

Wir haben uns früh dazu entschieden Patienten innerhalb und außerhalb der Klinik Unterstützung zu bieten. Dadurch erkannten wir, dass kein Weg an einer Medizinproduktzertifizierung vorbeiführt. Wir wussten, es wird deutlich mehr Aufwand als eine standardmäßige Produktentwicklung – also wappneten wir uns früh dafür. Durch Vorlesungen in meinem Studium (Anm.: Biomedical Engineering an der TU Graz) hatte ich schon Berührungspunkte mit rechtlichen Themen und Qualitätsmanagement und konnte mir durchaus vorstellen, hier mein Wissen zu vertiefen und gleich direkt anzuwenden. Ehrlich gestanden mag ich es einfach, Verträge zu analysieren und Graubereiche zu identifizieren – man fühlt sich wie ein Detektiv im großen Paragraphendschungel. Ich würde behaupten, es war ein natürlicher Fit, dass ich mich mit dem Thema Medizinprodukt so intensiv befasse.

Ist die Ausbildung zum Medizinproduktexperten auch ohne Vorkenntnisse machbar?

Ich habe mich im Studium schon mit Qualitätsmanagement für Medizinprodukte beschäftigt, aber natürlich war ich offen gestanden absoluter Laie. Alle im Kurs hatten die Basis, dass sie die Medizinprodukteverordnung gelesen haben. Die Gruppe war sehr heterogen, unterschiedlichste Erfahrungslevel waren vertreten.

Was war so dein größter AHA! Moment während der Ausbildung?

Eine weit verbreitete Meinung ist ja, dass Gesetze und Verordnungen uns aufzeigen, was man darf und was man nicht darf. Eigentlich machen sie das nicht. Sie stecken einen gewissen Raum ab, in dem du dich bewegen kannst…und dieser Raum ist durchaus groß. Ich finde nicht, dass z.B. die Medizinproduktverordnung uns sehr einschränkt – dieses negative Bild kann ich nicht nachvollziehen. Im Detail hat man viel Spielraum. Das war definitiv etwas, was mich sehr überrascht hat. Ich vertrete auch die Ansicht, dass uns dieses Regelwerk hilft, gute Lösungen auf den Markt zu bringen und einen hohen Qualitätsstandard fordert. Das ist wichtig, es geht schließlich um ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Gut: unsere Gesundheit.

Welche Hürden gibt es speziell für Startups, wenn es um die Medizinproduktzulassung geht? Hast du konkrete Tipps?

Ich würde sagen, solche Normen wie die ISO13485 zwingen dich dazu unangenehme Fragen zu beantworten. Jedes Unternehmen wird diese Fragen früher oder später beantworten müssen Will man sich diese Fragen stellen wenn man ein kleines, flexibles, motiviertes Team hat? Oder später, wenn sich festgefahrene Strukturen etabliert haben, also man gegen gelebte Praxis ankommen muss? Also haben Startups hier nicht unbedingt einen Nachteil.

reha buddy zertifiziert nun eine App als Medizinprodukt. Wie kann man sich das vorstellen? Worauf kommt es an?

Vorne weg: Der Begriff Medizinprodukt wird nicht vorrangig darüber definiert, ob es sich um etwas Greifbares handelt oder nicht, sondern zentraler ist eigentlich das Nutzenversprechen. Ein Großteil dreht sich um die sogenannte Zweckbestimmung, die regelt, wofür die Lösung verwendet werden kann. Man will im Grunde in der Zertifizierung nur sein Nutzenversprechen beweisen, zeigen, dass ein medizinischer Mehrwert entsteht, und die allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sind. Die größte Herausforderung sehe ich bei der Geschwindigkeit der Entwicklung und Iteration. Eine App hat im Vergleich zu einem physischen Produkt einen sehr schnelllebigen Entwicklungszyklus. Anforderungen wie Patientensicherheit müssen natürlich erfüllt und somit auch ausführlich geprüft werden. Diese Prüfungen benötigen aber Zeit, was einer agilen Softwareentwicklung weniger zugute kommt. Die Schwierigkeit besteht also darin, den Punkt zu finden, an dem die App sehr nah an der Perfektion ist, wenn man sie prüft – jegliche Änderungen (Updates, Upgrades, etc.) können nämlich eine erneute Prüfung verlangen. Da ist zu erwähnen, dass diese Prüfung von externen Dritten durchgeführt wird – hier entsteht natürlich auch wieder eine gewisse Abhängigkeit. Dieses Wechselspiel aus Innovationen schaffen und diese Neuerungen medizinisch abzusichern gilt es zu meistern.

Ist diese Zertifizierung eine einmalige Prüfung?

Nein, sie wird mindestens jährlich geprüft. Die Geltungsdauer beträgt 3 Jahre, und für jedes neue Upgrade (z.B. in unserem Fall ein neues Assessment) muss neu geprüft werden. Wenn man also sehr nah am Kundenwunsch entwickelt und regelmäßig mit Neuerungen einen Wow-Effekt erzeugen will, bedeutet das dementsprechenden Aufwand im Hintergrund – ganz abgesehen von der eigentlichen Entwicklung. Man staffelt im Idealfall die einzelnen Weiterentwicklungen zeitlich so, dass man regelmäßig neue Zyklen starten und laufend Updates liefern kann. Je besser also das Qualitätsmanagement etabliert ist (Stichwort: technische Dokumentation, operative Prozesse), desto strukturierter und flüssiger läuft der Zyklus ab.

Welchen Vorteil hat nun diese Zertifizierung? Für Kunden und Kundinnen, aber auch für reha buddy?

Wir erzeugen klinischen bzw. medizinischen Mehrwert. Das oberste Gut dabei ist dementsprechend die Verbesserung der Gesundheit. Alle Regeln die wir am Weg dorthin einhalten, befolgen wir aus diesem spezifischen Grund: Wir gewährleisten Sicherheit für alle Patient*innen. Das ist natürlich viel wert und schafft dementsprechend auch Vertrauen.

Wann muss sich ein Unternehmen mit der Medizinproduktzertifizierung auseinander setzen? Es gibt ja viele Apps, die Gesundheit im Fokus haben, aber eben nicht zertifiziert sind.

Der Punkt ist: Wie sehr vertraut man diesen Apps? Kann man sich darauf verlassen, dass sie ihr Nutzenversprechen halten? Häufig werden diese Apps von Endkund*innen verwendet – reha buddy hingegen wird in Kliniken eingesetzt – ein Medizinprodukt zu sein ist dafür eine Voraussetzung. Denn natürlich muss auch die Klinik für die Gesundheit und das Wohlergehen der Patient*innen gerade stehen und das auch regelmäßig prüfen. Dafür gibt es Funktionen in Kliniken wie den Technischen Sicherheitsbeauftragten, der in gewissen Wartungsintervallen alle medizinischen Geräte prüft. Sozusagen ist die App da gleichgestellt mit einem klassischen EKG Monitor. Der Anwender schenkt uns Vertrauen, und wir sind es im schuldig zu beweisen, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Das Sicherheitsversprechen ist einfach zentral, wenn es um Gesundheit geht.

Nun würde uns noch deine Meinung zu folgendem Thema interessieren: Als wie fortgeschritten empfindest du Österreich im Vergleich zu Deutschland, wenn es um die Akzeptanz von Apps als Medizinprodukt geht?

Die neue Verordnung (EU) 2017/745 (Anm.: diese gilt EU weit, einzelne Mitgliedsstaaten können die Verordnung nach eigenem Ermessen erweitern) die mit 26.5.2021 in Kraft tritt, regelt erstmals explizit Apps als Medizinprodukt. Die nationale Umsetzung ist divers. Deutschland hat sich stark an der Richtlinie orientiert, Österreich ist ein wenig restriktiver. Während in Deutschland Apps verschrieben werden können, klappt das in Österreich noch nicht. Wir haben zwar elektronische Patientenakten (ELGA), aber nichts, das mit dem Digitalen Versorgungsgesetz (zu dem die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) gehören) entspricht. Die Marktzulassung wird in Deutschland gefühlt stärker gefördert.

Zum gesamten Original-Interview gelangen Sie über diesen Link: https://rehabuddy.at/app-als-medizinprodukt-der-weg-eines-startups/

Online-Lehrgang: Regulatory Expert MDR / IVDR – nächster Termin ab 2. März 2022

Der nächste Durchgang unseres Online-Lehrgangs Regulatory Expert für Medizinprodukte und In-vitro Diagnostika nach MDR / IVDR startet am 2. März 2022.

Wir bieten mit dieser neuen praxis- und umsetzungsorientierten Weiterbildung eine Gesamtsicht auf alle relevanten Themen der MDR / IVDR in einem kompakten Online-Lehrgang. Sie setzen gemeinsam mit den anderen TeilnehmerInnen Schritt für Schritt die notwendigen Wissens- und Arbeitspakete auf dem Weg zur erfolgreichen Zulassung Ihres Medizinprodukts bzw. Ihres In-vitro Diagnostikums um.

Alle Informationen und Termine finden Sie hier. Wir freuen uns auf den nächsten Durchgang! Sind Sie auch mit dabei?